Was bedeutet Soziale Nachhaltigkeit und warum brauchen wir sie. Wir haben Anabel Ternès befragt und interessante Einblicke erhalten.
Prof. Dr. Anabel Ternès von Hattburg gilt als eine der führenden Köpfe für Nachhaltigkeit und Digitalisierung. Ende 2022 wurde sie von LinkedIn als Top Voice für Nachhaltigkeit ausgezeichnet.
Prof. Ternès hält als Zukunftsforscherin eine Professur für Kommunikationsmanagement inne und engagiert sich u. a. als Kuratoriumsvorsitzende der Stiftung flexible Arbeitswelt, als Verwaltungsrätin für Gesundheit und Weiterbildung bei der britischen Handelskammer und als Vorstandsvorsitzende des Zukunftsrats Circular Economy. Für ihre Arbeit und ihr Engagement wurde Anabel Ternès bereits mehrfach ausgezeichnet. Wir haben sie zum Thema Nachhaltigkeit befragt und Einblicke in die drei Säulen der Nachhaltigkeit erhalten.
Nachhaltigkeit besteht grundsätzlich aus drei Säulen: soziale, ökonomische und ökologische Nachhaltigkeit.
Ökonomische nachhaltig agierende Unternehmen denken nicht an das schnelle Geld. Sie denken in Zyklen von mehreren Jahren. Sie planen langfristiger und bauen somit stabilere Strukturen auf. Das sieht man gut an Familienunternehmen, wie z. B. Vitra. Unternehmen wie diese transformieren sich stetig von innen, beteiligen ihre Mitarbeitende an grundlegenden Entscheidungen und denken in Generationen.
Das heißt aber nicht, dass sich die ökonomische Nachhaltigkeit nicht lohnen darf. Ganz im Gegenteil: Sie darf sich lohnen und tut es auch. Wer nachhaltig plant und umsetzt, denkt und handelt langfristig, ressourcenorientiert und integriert Stakeholder.
Soziale Aspekte umfassen alles, was die Gesellschaft, bzw. die Menschen in ihr angeht. Sie beziehen sich auf Rechte, Wohlergehen und Interessen von Menschen und ihren Gemeinschaften. Dazu gehören Menschenrechte und Arbeitsschutz genauso wie Gesundheitsfragen, Sicherheitsthemen und Verbraucherschutzthemen.
Konkret versteht man darunter die Vereinbarkeit von Familie und Beruf, die Gleichstellung von Mann und Frau mit gleichem Lohn und gleichen Karrierechancen für alle. Aber auch Diversity, also Vielfalt als Grundsatz, der mehr als Alter, Geschlecht und Herkunft umfasst, sind ein wichtiges Thema.
Soziale Nachhaltigkeit wird häufig nicht als Nachhaltigkeit gesehen, sondern wird reduziert als Corporate Social Responsibility (CSR) verstanden. Dabei ist diese Säule der drei Säulen der Nachhaltigkeit eine der wichtigsten. Sie trägt die anderen beiden. Wenn die soziale Nachhaltigkeit keinen Platz im Unternehmen hat oder mit den anderen beiden Säulen nicht synergetisch verbunden ist, kann Nachhaltigkeit nicht gelebt werden. Intern fehlt dann das Verständnis, Engagement und Involvement der Mitarbeitenden. Extern fehlen Glaubwürdigkeit und Attraktivität eines Unternehmens für Fachkräfte, Kund*innen und zunehmend auch für Geschäftspartner*innen.
Es erscheint vielen aktuell noch so, als dass sich die Inhalte der sozialen Nachhaltigkeit um Dinge drehen, die für eine Organisation nicht notwendig sind.
Mitarbeitende allerdings sind das Herz jedes Unternehmens und soziale Nachhaltigkeit bildet das Fundament, auf dem ökologische und ökonomische Nachhaltigkeit wachsen können.
Ausgehend von der Geschäftsführung sollte es ein Top Eins-Thema im Unternehmen sein und sowohl in der Strategie als auch in der Agenda der Geschäftsleitung einen wichtigen Bestandteil haben. Es sollte aber auch Thema in der HR sein und dort abteilungsübergreifend gedacht, geplant und umgesetzt werden.
Als ein Leuchtturmunternehmen kann man fraport nennen. Das Unternehmen engagiert sich in Netzwerken und Initiativen. Auch der Punkt Diversity spielt bei hier eine große Rolle. Hier treffen Menschen mit unterschiedlicher Herkunft, unterschiedlich geprägtem Handeln und Denken aufeinander, und dass nicht nur bei den Mitarbeitenden, sondern auch bei den Kund*innen.
Ja, das stimmt, aber nicht nur. Es geht um weitaus mehr. Aber es ist wichtig soziale Nachhaltigkeit als einen knallharten Businesscase zu bezeichnen und KPIs zu definieren, denn Unternehmen müssen Profit erzeugen. Soziale Nachhaltigkeit sollte daher mit Messkriterien so dargestellt werden, dass man daraus mit analytischen Methoden eine Erfolgsstory aufzeigen kann.
Die Politik tut einiges, aber immer noch viel zu wenig. Es darf aber nicht zu viel Bürokratie, sondern es muss mehr Anregungen, Vernetzungen, aber auch Förderungen geben. Das Thema darf nicht überreguliert werden, sondern muss unternehmerische Freiheiten und Ideen fördern. Soziale Nachhaltigkeit darf kein Checkbuchthema sein. Die Unternehmen müssen intrinsische Beweggründe entwickeln und attraktive Anreize haben, mehr zu tun. Wir brauchen Erfahrungen, Storytelling. Wir brauchen Role Models und Influencer*innen, um soziale Nachhaltigkeit voranzutreiben. Nur so lässt sich enkeltaugliches Handeln mit wirtschaftlichem Erfolg verbinden.
Ich engagiere mich in verschiedenen sozialen Initiativen und Organisationen für das Eintreten für Werte, für Menschenrechte, Diversity und für eine enkeltaugliche Welt. Unter anderem als Kuratorin für Plan International, Don Bosco Mondo und die Stiftung Lesen, als Aufsichtsrätin für die Peter Ustinov Stiftung und für die Inglosus Stiftung, als Beirätin für die Plant for the Planet Stiftung und im Think Tank von IOD (Impact of Diversity). Auch in meinem Engagement für Nachhaltiges Leadership und für die Vermittlung von Zukunftsskills in der beruflichen Weiterbildung für jeden Mitarbeitenden setze ich mich dafür ein, dass soziale Nachhaltigkeit in Unternehmen verstanden, umfassend implementiert und nachhaltig gelebt wird.
Nachhaltiges Self Leadership jedes Einzelnen ist für mich der Schlüssel für nachhaltiges Handeln – auch als Unternehmen. Das hat viel mit Resonanzempfinden, Verantwortung für sich selbst und Respekt zu tun.