Schichtwechsel an der Wickelfront – Mehr Väter in Elternzeit

Immer Väter gehen in Elternzeit. Denn Elternzeit macht Männer glücklich.

Nicole Beste-Fopma
Journalistin & Autorin

Seit der Einführung der Partnermonate  steigt die Zahl der Väter in Elternzeit kontinuierlich. Laut der aktuellen Elterngeldstatistik bezogen 2021 25,3 Prozent (2020: 24,8 Prozent) der Väter Elterngeld. Im Vergleich zu 2007, dem Jahr, in dem das Elterngeld eingeführt wurde, ist das ein Anstieg von beachtlichen 22 Prozent. Schon lange kann man nicht mehr von einem „Mitnahmeeffekt“ sprechen. Vielmehr ist bei den jungen Vätern ein Wertwandel hin zu mehr Familie zu beobachten. Die Väter von heute wollen nicht mehr nur der Ernährer sein, der seine Kinder nur schlafend oder am Wochenende mal wach sieht. Die Väter von heute wollen aktiv an der Erziehung ihres Nachwuchs teilnehmen. Von Anfang an.

Elternzeit macht Männer glücklich

Wie sehr das Thema die Männer beschäftigt, zeigen die unzähligen Erfahrungsberichten in Buchform, Internetseiten, Foren und Blogs bis hin zu Ratgebern und Vätergruppen. Hier wird die Elternzeit als „eines der letzten Abenteuer, die Mann noch erleben kann“ gefeiert(1), es wird mit stolz geschwollener Brust davon berichtet, wie die neun Monate alte Tochter ihre ersten scharfen Nudeln (Pasta Aglio olio e peperoncino) weghaut als wären sie gezuckert(2) und es werden Tipps gegeben, wie man auch als Vater die Kleinen rechtzeitig in den Kindergarten oder die Schule(3) bekommt.

Alle sind sich einig: Die mit dem Nachwuchs verbrachte Zeit ist eine Bereicherung (72% laut Familienmonitor 2010). „Ich habe die Elternzeit als sehr intensive Zeit mit meinem Kind empfunden und bin überzeugt, dass ich in Sachen Vertrauen und Bindung gute Grundlagen legen konnte. Es gibt mittlerweile nichts, was ich nicht, sondern nur meine Frau kann. Wir sind absolut gleichberechtigt“, schwärmt Rasmus Dahlgaard, Manager bei Airbus und vier Monate in Elternzeit. Viele Väter berichten auch, dass sie durch die Erfahrungen mit teilweise stressigen Kleinkindern einen neuen Blick auf ihr Berufsleben bekommen hätten. Nach der Elternzeit sähen sie bei der Arbeit vieles gelassener, arbeiteten effizienter und hielten sich nicht mehr so viel auf „Nebenkriegsschauplätzen“ auf.

12 + 2

Trotz all dieser positiven Nebeneffekte, nehmen aber die meisten Väter (61 Prozent) nur die zwei Partnermonate. Weniger, weil sie meinen, am Wickeltisch zu versagen, als viel mehr, weil „wir in Deutschland für diese zwei Monate eine Erlaubniskultur pflegen“, so Volker Baisch, Geschäftsführer der Väter gGmbH und Pionier auf dem Gebiet der Vereinbarkeit von Familie und Beruf für Väter. „Die Kampagne der Bundesregierung hat es vor gemacht. 12 + 2. In den Köpfen vieler Männer steht festgeschrieben: Zwölf Monate für die Mutter, zwei für den Vater. Viele Väter wissen noch nicht einmal, dass sie Anspruch auf mehr als zwei Monate hätten. Gleichzeitig wollen viele Mütter aber auch zwölf Monate in Elternzeit gehen. Hinzu kommt die finanzielle Frage. Die Paare sehen eine geteilte Elternzeit nicht als eine Investition in die Zukunft der Familie und sind folglich nicht bereit während der Elternzeit für einige Monate auf Geld zu verzichten.“
Wie eine Forsa Studie im Auftrag der Zeitschrift „Eltern“ im vergangenen Jahr gezeigt hat, glauben die meisten der befragten Männer, dass die Elternzeit ihrer Karriere schaden könnte. 45 Prozent der Befragten gaben an, dass die Konsequenzen „sehr oder eher negativ“ seien, wenn sie ihren Chef bitten würden, während der „Vätermonate“ zuhause bleiben zu können.

Hier sind Väter in Elternzeit keine Exoten

In vielen Betrieben hat bereits ein Bewusstseinswandel stattgefunden. Insbesondere in den großen Unternehmen gehört es zum Mainstream, Vätern eine zweimonatige Elternzeit zu gewähren. Auffallend oft sind es Unternehmen, in denen viele Ingenieure arbeiten. Warum Ingenieure hier die Antreiber sind, erklärt Baisch so: „Das Interesse der meisten Ingenieure liegt mehr an der Erschaffung eines guten Produktes. Sie sind weniger karriereorientiert. Gleichzeitig herrscht in Deutschland ein akuter Mangel an Ingenieuren und Ingenieurinnen. Die Unternehmen sind daher quasi dazu gezwungen, dieser Berufsgruppe optimale Arbeitskonditionen zu bieten, um Fachkräfte zu akquirieren aber auch um sie zu halten.“


Um mehr Vätern die Elternzeit näher zu bringen, hat das Nürnberger Softwareunternehmen DATEV 2006 den „Väterbrief“ mit Informationsmaterial über die Möglichkeiten der Elternzeit für werdende Väter entwickelt. Seit kurzem gibt es zusätzlich noch zwei Berater speziell zum Thema Elternzeit und Elterngeld, welche die Väter, aber auch deren Partnerinnen beraten. „DATEV ist es wichtig, so früh wie möglich mit den werdenden Vätern in Kontakt zu treten, sowohl von Seiten der Führung als auch des Personalbereichs. Denn eine frühzeitige Information der werdenden Eltern zu den vielen Möglichkeiten, die Elternzeit in Kombination mit Teilzeit bietet, führt dazu, dass die Paare rechtzeitig ihr „Familienmodell“ mit den betroffenen Firmen, Chefs und Teams besprechen und ggf. planen können,“ erklärt Claudia Lazai, Ansprechpartnerin Beruf und Familie bei DATEV. Dass DATEV den Nerv getroffen hat, zeigt die steigende Anzahl Väter in Elternzeit von im Jahr 2007 23 auf 89 Elternzeitler 2011. Darunter 2011 auch 11 Väter mit Führungsaufgaben. „Bis Mai 2012 haben bereits 15 männliche Führungskräfte einen Antrag auf Elternzeit eingereicht. Und die Zahl der Anträge insgesamt lässt darauf hoffen, dass wir 2012 die Marke von 100 überschreiten werden,“ erzählt Claudia Lazai stolz.

Eine Vorreiterrolle hin zu mehr Vätern in Elternzeit haben auch die Commerzbank und die Axel Springer AG eingenommen. In Kooperation mit dem pme Familienservice und der Väter gGmbH haben sie ein Väternetzwerk ins Leben gerufen. In regelmäßigen Abständen finden Vorträge für Väter rund um das Thema Vereinbarkeit von Beruf und Familie statt. Ziel ist es, Mentoringtandems zusammen zu bringen, in denen Vätern, die gerne in Elternzeit gehen möchten oder Vätern in Elternzeit, Mentoren zu Seite gestellt werden, die bereits Elternzeiterfahrung gesammelt haben. (Nähere Informationen dazu finden Sie auf www.vaeter-ggmbh.de).

Damit langfristig mehr Unternehmen sich väterfreundlich aufstellen und mehr Väter länger Elternzeit nehmen, muss laut Baisch „die Politik bessere Rahmenbedingungen setzen und keine Angst vor dem großen Wurf zu haben. Die Partnermonate waren ein guter Anfang, doch jetzt muss der nächste Schritt hin zu noch mehr Chancengleichheit folgen. Denn, wie eine Untersuchung des hwwi (Hamburgisches WeltWirtschaftsInstitut) gezeigt hat, steigt die Chance, dass der Vater in Elternzeit geht um etwa 150 Prozent, wenn die die Partnerin Vollzeit erwerbstätig ist, gegenüber einem Paar, bei dem die Partnerin keiner Erwerbstätigkeit nachgeht. Ebenfalls um etwa 150 Prozent steigt die Wahrscheinlichkeit der Inanspruchnahme der Elternzeit des Vaters, wenn die Partnerin das höhere Nettoeinkommen hat.

Übrigens:

Auch auf die Mütter hat die Einführung des Elterngelds positive Auswirkungen. Insbesondere, wenn die Väter Elternzeit zum Ende der Elterngeldzeit beantragten, taten sie dies, um ihre Partnerin beim Wiedereinstieg zu unterstützen. Untersuchungen haben gezeigt, dass die Erwerbsquote von Müttern, deren Partner in Elternzeit ist, doppelt so hoch ist (36 Prozent) wie bei Müttern, deren Partner (gerade) nicht in Elternzeit ist. Die Erwerbsbeteiligung von Müttern im zweiten Lebensjahr des Kindes ist nach Einführung der Partnermonate um rund vier Prozent gestiegen, was auch dazu führt, dass diese Frauen im Alter besser abgesichert sein werden.

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(1) Hermann Ehmann: „Mein Leben als Mutti: Wahre Geschichten eines Elternzeit-Papas“
(2) Ich und Luise
(3) www.vaterfreuden.de


Interessante Links.

www.vaeter-zeit.de
www.vaeter-gGmbH.de
www.vaeter-in-balance.de
www.vend-ev.de
www.vaeter.de

*Der Artikel ist erstmals 2012 im LOB Magazin erschienen.

Bildnachweis: Pexels – Tatiana Syrikova; Pexels – Helena Lopes

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