Wer Kinder alleine erzieht, steht ständig unter Strom und muss, darf und sollte ganz besonders auf seine seelische Gesundheit achten. Dr. Alexandra Widmer ist Ärztin, Psychotherapeutin und alleinerziehende Mutter. Viele Jahre lang hat sie den Blog www.starkundalleinerziehend.de betrieben, aus dem 2016 ihr gleichnamiges Buch "Stark und Alleinerziehend" herausging. Für LOB hat sie uns acht wichtige Tipps für Alleineziehende verraten.
Hand aufs Herz: Wieviel Stunden schläfst Du in der Nacht? Sortierst Du abends noch Wäsche, beantwortest Emails oder räumst das Chaos auf? Mach das ab jetzt nicht mehr sieben Tage in der Woche, sondern sechs. Am siebten Tag gehst Du mit Deinen Kindern ins Bett. Diese zwei bis vier Stunden mehr Schlaf werden Dir deutlich mehr Energie verleihen.
Als Alleinerziehende wollen wir oft alles sehr gut erledigen. Wir wollen zeigen, dass wir es alleine schaffen und stark sind. Dahinter steckt meist der Wunsch nach Anerkennung. Aber: Was kann schlimmstenfalls passieren, wenn Du eine Sache nicht perfekt ausführst? Was wären die kurzfristigen und mittelfristigen Konsequenzen und wie realistisch sind sie? Was musst Du Dir beweisen und warum? Mache klare Abstriche und beherzige die Regel: 60% sind die neuen 100%-Lösungen!
Du alleine entscheidest, ob Du Dich weiter in eine Erschöpfung manövrierst oder klar STOP sagst. Wenn Deine täglichen Herausforderungen über eine längere Zeit größer sind als das, was Du bewältigen kannst und Du Deine Bedürfnisse ignorierst, dann ist ein Burnout nahe. Das Bedürfnis nach Ruhe, Erholung und
Entspannung hast Du als alleinerziehende Mutter bzw. Vater mehr als nötig. Was tun? Kinderfreie Stunden sind ab sofort nicht mehr zum Putzen da, sondern nur für Dich. Je weniger freie Zeit Du hast, desto strenger solltest Du Dich daran halten. Übernimm Verantwortung für Dein Wohlbefinden. Am besten startest Du mit 15 Minuten jeden Abend.
Um Hilfe bitten ist eine Kunst. Wenn Du mittelfristig genug Energie haben möchtest,
solltest Du lernen, Aufgaben abzugeben.
Wenn man alleinerziehend ist, ist oft niemand da, den man um einen Rat fragen
kann. Dann ist es hilfreich, sich an eine kluge Person zu erinnern. Das kann jemand sein, den Du kennst. Es darf aber auch eine fiktive Figur sein. Stell Dir vor, Du begegnest dieser Person und könntest mit ihr über Dein Problem sprechen. Was würde sie Dir wohl raten? Könntest Du aus ihrer Geschichte einen Rat
für Dich ableiten? Welche Botschaft würde sie Dir vermitteln wollen? Welchen Einfluss hätte ihr Rat auf Dich? Schreibe Dir die Antworten Deines klugen Helfers auf.
Das Zusammensein mit anderen Menschen gibt uns Energie. Paradoxerweise ziehen wir uns dann, wenn wir sie am nötigsten haben und emotional erschöpft sind, von der Gemeinschaft zurück. Ändere dies: Gestehe Dir ein, dass Du besonders in Krisenzeiten auf andere angewiesen bist. Wenn Du bemerkt hast, dass Du Dich sozial und emotional zurückziehst, mache genau das Gegenteil. Du wirst Dir zu Beginn wie ein Schauspieler vorkommen. Egal! Mach weiter und suche Dir für Deine Stimmung die passende Kontaktperson.
Fühlen wir uns ungerecht behandelt, dann ärgern wir uns gerne lange über diese Person. Dahinter steckt die Hoffnung, dass Gerechtigkeit eintritt oder wir Genugtuung erfahren. Doch das wird nicht passieren. Widerfahrenes Unrecht ist endgültig und Du entscheidest, wie lange Du Dein Leben davon bestimmen lassen möchtest. Mache Dir Schritt für Schritt klar: Akzeptiere das Unrecht. Du muss die Vergangenheit nicht vergessen. Du musst niemanden von den Sünden frei sprechen. Das Vergeben ist nur für DICH da. Wenn Du Das Unrecht akzeptierst, kann Dein Leben weitergehen und Du hast mehr Energie für Dich und Deine Kinder.
Viele Alleinerziehende sind so sehr mit dem Alltag und der Vergangenheit beschäftigt, dass sie aufhören zu träumen. Die meisten wünschen sich eine „heile“ Familie. Doch wenn dieser Traum geplatzt ist, gibt es einen neuen Plan. Ein wichtiger Faktor, um Freude und Energie zu spüren, sind Visionen. Und zwar Visionen von einem sehr guten Leben, das Du verdient hast.
Mehr über Dr. Alexandra Widmer, weitere Tipps und über das Buch findet Ihr hier.
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