Soziale Nachhaltigkeit in Unternehmen – Das „S“ im ESG

Nachhaltigkeit ist mehr als Umweltschutz. Nachhaltigkeit ist auch Familienbewusstsein.

Nicole Beste-Fopma
Journalistin & Autorin

Das Thema Nachhaltigkeit gewinnt immer mehr an Gewicht. Aber noch immer meinen die meisten, dass es dabei ausschließlich um die ökologische Nachhaltigkeit ginge. Dass Unternehmen sich in erster Linie dafür einsetzen sollten, weniger CO2 auszustoßen. Weniger Wasser zu verschmutzen und ressourcenorientiert zu produzieren. Aber Nachhaltigkeit ist weit mehr als Umweltschutz. Nachhaltigkeit hat auch eine soziale Komponente und die darf nicht vernachlässigt werden.

Der Menschen im Mittelpunkt

Laut Gabler Wirtschaftslexikon bezieht sich die soziale Nachhaltigkeit auf den Gesund­heits­zustand von Sozialsystemen. Das Aufrechterhalten des Gesundheitszustands (Vitalität, Organisation und Widerstandsfähigkeit) ist von bes. Bedeutung. Dies kann durch die Verbesserung des Humankapitals, bspw. durch Bildung, und der Stärkung sozialer Werte und Einrichtungen erreicht werden und verbessert damit die Widerstandsfähigkeit eines sozialen Systems entscheidend. Innerhalb von Unternehmen betrifft dies bspw. die Auswirkungen sozialen Handelns im Umgang mit Mitarbeitern, den Beziehungen zu Interessensgruppen oder der allgemeinen Verantwortung des Unternehmens gegenüber der Gesellschaft.

Soziale Nachhaltigkeit – nichts Neues

Die Idee, Nachhaltigkeit auch unter Berücksichtigung sozialer Ziele zu sehen, ist nicht neu.  Der Begriff wurde bereits 1994 durch den Ökonom John Elkington und sein Werk „Enter the Triple Bottom Line“ geprägt. Elkington erweitert in diesem Werk die Bottom-Line, welche den Profit nach der Gewinn-und-Verlust-Rechnung beschreibt, um ökologische und soziale Aspekte. Ähnlich wie die Corporate Social Responsibility (CSR) basiert die „Triple Bottom Line“ auf der Annahmen, dass Nachhaltigkeit nur dann zu erreichen ist, wenn soziale, ökologische und ökonomische Faktoren gleichermaßen betrachtet werden.


In den vergangenen Jahren hat sich die Theorie der „Triple Bottom Line“ nun in Environmental, Social, Governance (ESG) weiterentwickelt. Während Unternehmen in ihren Nachhaltigkeitsberichten bisher lediglich über ihre Maßnahmen berichten mussten, werden sie in ihren ESG-Berichten zukünftig über die Wirksamkeit dieser Maßnahmen berichten müssen. Also darüber, welche Maßnahmen wie gut im Unternehmen greifen.

Verpflichtende ESG Berichtserstattung

Immer mehr Investoren haben das Prinzip und die Wichtigkeit der drei Säulen der Nachhaltigkeit verstanden. Zwar investieren sie noch immer, um am Ende damit Profit zu machen. Sie investieren aber nicht mehr um jeden Preis. Vielmehr achten sie vermehrt darauf, wie nachhaltig die Unternehmen mit der Ressource „Mensch“ umgehen. Bereits 2017 hatte eine Morgan Stanley Studie gezeigt, dass 86 Prozent der Millennials daran interessiert waren, in nachhaltige Unternehmen zu investieren. Auch zeigte die Studie, dass Millennials doppelt so oft in Unternehmen investieren wollten, die soziale und ökologische Ziele verfolgten. 72 Prozent waren der Überzeugung, dass sie mit ihrer verantwortungsbewussten Investition, einen Beitrag zu mehr Nachhaltigkeit leisten. Es war somit keine Frage, ob eine ESG Berichterstattung verpflichtend eingeführt werden würde, sondern vielmehr eine Frage des „Wann“. Denn Unternehmen, die sich sozial engagieren, sichern sich die Lizenz zum Wachsen. Sie stärken mit ihrer Nachhaltigkeit ihre Marke, verringern immaterielle Risiken, punkten in der Außenwirkung und können sich so als attraktiver Umsatz- und Gewinntreiber erweisen.

Größere Konzerne müssen bereits seit Jahren über ihre CSR Maßnahmen berichten. Der Gesetzgeber hat jetzt beschlossen, dass seit diesem Jahr Unternehmen ab einer bestimmten Größe verpflichtend in einem ESG-Bericht ihre Nachhaltigkeitsmaßnahmen offenlegen müssen. Das heißt, börsennotierte Häuser und Unternehmen mit mehr als 250 Mitarbeitenden im Jahresdurchschnitt, Nettoerlösen von mehr als 40 Millionen Euro und/oder einer Bilanzsumme von mehr als 20 Millionen Euro müssen jetzt einen ESG-Bericht verfassen. Das gilt auch für Personenhandelsgesellschaften im Sinne des Handelsgesetzbuches, die mehr als 500 Mitarbeitende haben und nach dieserDefinition als groß und kapitalmarktorientiert einzustufen sind. All diese Unternehmen müssen darüber berichten, welche Maßnahmen sie im Bereich Nachhaltigkeit ergreifen und ob und wie die Maßnahmen greifen. Eine Regelung, die ab 2026 dann für alle kapitalmarktorientierten Unternehmen gilt.

Aspekte der sozialen Nachhaltigkeit

Über welche dieser Kriterien Bericht erstattet werden muss, ist nicht geregelt. Bisher hat es der Gesetzgeber versäumt, konkrete Standards und Kennzahlen zu definieren. (Siehe auch: "S" wie Vereinbarkeit) Noch können Unternehmen eigenständig entscheiden, über welche Maßnahmen und mit welchen Kennzahlen sie berichten wollen. Eine echte Vergleichbarkeit für Investoren ist somit noch nicht wirklich gegeben. Allerdings gibt es bereits einige Player auf dem Markt, die sich um eine Standardisierung bemühen. In aller Regel basiert der Standard  auf den 17 Nachhaltigkeitsziele der UN, die unter anderem Aspekte wie faire Bezahlung, die Wahrung von Interessen der Mitarbeitenden (z.B. flexible Arbeitszeiten, gute Vereinbarung von Familie und Beruf), das Engagement für den Einsatz gegen soziale Ungerechtigkeit (z.B. Kinderarbeit) und die Unterstützung gemeinnütziger Projekte umfassen.

Soziale Nachhaltigkeit denkt langfristig

Anders als etwa energieeffiziente Maßnahmen, die nicht nur ökologisch nachhaltig sind sondern sich auch ökonomisch rechnen, zahlt sich soziale Nachhaltigkeit nicht unmittelbar aus. Unternehmen, die in Familienbewusstsein investieren, sich mit Nachdruck dafür einsetzen, dass ihre Arbeitnehmenden eine ausgewogene Work-Life-Balance haben und somit Beruf und Familie in Einklang bringen können, müssen zunächst investieren. Je nach Größe des Unternehmens müssen Mitarbeitende dafür abgestellt werden, Maßnahmen zu erarbeiten. Die Maßnahmen müssen implementiert werden und nicht selten bedeutet das auch, dass Investitionen anstehen – wenn beispielsweise ein Familienservice engagiert werden soll oder gar eine Betriebskita errichtet.

Einen direkten Return-on-Invest gibt es da nicht. Es lohnt sich aber sehr wohl langfristig. Zahlreiche Untersuchungen zeigen immer wieder, dass Unternehmen, die sich sozial nachhaltig, insbesondere familienbewusst, aufstellen, auf Dauer ein besseres Arbeitsklima aufweisen. Dieses bessere Arbeitsklima führt zu einer höheren Motivation und somit zur Steigerung von Produktivität, Wachstum und Wettbewerbsfähigkeit. Gleichzeitig sinkt der Krankenstand und die Fluktuation im Unternehmen verringert sich. Auch das mit direkten Auswirkungen auf den ökonomischen Erfolg des Unternehmens. Ein geringerer Krankenstand führt zu mehr Produktivität und somit zu mehr Gewinn. Unternehmen mit einer geringeren Fluktuation bleibt der Brain-Drain erspart – das Wissen bleibt im Unternehmen. Gleichzeitig sparen Unternehmen mit einer geringen Fluktuation Rekrutierungskosten. Bedenkt man den Fachkräftemangel und die Tatsache, dass für die Rekrutierung von Mitarbeitenden dessen 1,5-faches Jahresgehalt angesetzt werden muss, kann das teuer werden, bzw. sehr viel Geld sparen. Gleichzeitig sind sozial nachhaltige Unternehmen attraktive Arbeitgebende für High-Potentials. Und last but not least, stabilisieren faire Löhne – ebenfalls ein nachhaltiger Aspekt – eine Belegschaft.

Bildnachweis: pexels – Fauxels

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